Ergebnisse AP2: Digitalisierung und Skalierbarkeit

Videoanleitung

Videoanleitung für das Rhino/Grasshopper-Tool
(in englischer Sprache – für Deutsch bitte automatisierte Untertitel verwenden)

Auswertungsbericht

Aufgabenstellung

Im Arbeitspaket 2 dieses Forschungsprojektes soll die mögliche Digitalisierung und Skalierbarkeit des Forschungsansatzes untersucht werden: Wie kann der selektive Rückbau und das Zerlegen einer Ortbetonstruktur durch digitale Tools ergänzt und vereinfacht werden, sodass das auch größere Strukturen leicht bearbeitet werden können?

Hierbei soll für die Zuschnittplanung durch veränderbare Parameter schnell eine Reihe an möglichen Zuschnittmustern und den daraus resultierenden Bauteilen dargestellt und zur weiteren Verarbeitung zur Verfügung gestellt werden. Daraufhin sollen die entstandenen Bauteile mit bauteilspezifischen Informationen wie GUID (global unique identifiers – eindeutige Kennzeichnung eines Bauteils), Abmessungen und Masse des Bauteils oder auch die enthaltene Menge an Grauer Energie (CO2-Emissionen) versehen werden, die für die Aufbauplanung maßgeblich sind.

Diese Funktionen sollen in einem Grasshopper-Script programmiert werden, dass zur Anwendung mit Rhino3D vorgesehen ist. Grasshopper ist als visuelle Programmierschnittstelle schon seit langem ein wichtiger Baustein der Digitalisierung und Parametrisierung in der Bauplanung und hat daher eine bedeutende Anzahl an Nutzer:innen aus der Branche und damit potenziellen Anwender:innen dieses Tools.

Voraussetzungen und Ziele

Der Arbeit in diesem Arbeitspaket liegt die Erfahrung aus dem Musterprojekt (Abbau Aufbau, 2020, UdK Berlin) zugrunde. In dieser wurde der Ortbetonrohbau des zum Abriss bestimmten Ahlener Rathauses hypothetisch in Teile zerlegt und diese Bauteile in ihrer Funktion als statische Elemente in einem Wohnungsbauentwurf wieder eingesetzt (Siehe Musterprojekt für die vergleichende Ökobilanz in AP1). Die Zerlegung – d.h. die Erstellung eines Zuschnittmusters – wurde händisch erstellt, benötigte einer Vielzahl an Versuchen über einen längeren Zeitraum hinweg und basierte nur auf einigen pragmatischen Festlegungen (Begrenzung durch maximale Abmessungen und maximales Gewicht der Bauteile für Transportabilität).

Insgesamt wurden 440 Bauteile für den Neubauentwurf verwendet. Jedes einzelne Element wurde händisch nummeriert und im Grundriss wiederum händisch markiert. Auf Grund dieser aufwendigen Zuordnung und der großen Anzahl an Elementen ist nicht auszuschließen, dass ein oder mehrere Elemente doppelt auftauchen oder Elemente aus dem Zuschnitt gar nicht im Entwurf verwendet werden.

Für den Neubauentwurf war es hilfreich, dass alle Elemente möglichst die gleiche Breite aufweisen, damit sie an ihren Längsseiten mit einem durchgehendem Verbindungselement verbunden werden können.

Aus diesen Erfahrungen lassen sich eine Reihe von Zielen für das digitale Tool ableiten:

  • Schnelle Entwicklung von unterschiedlichen Zuschnittvarianten
  • Automatische Zuordnung von GUIDs zu Bauteilen
  • Katalogisierung aller Bauteile für besseren Überblick des Inventars beim Neubauentwurf
  • Begrenzung der Parameter für das Zuschnittmuster in maximale Länge und maximale Breite anhand von Transportabilitätsvorgaben
  • Ausgabe des Gewichts der einzelnen Bauteile zur Bewertung der Krananforderung

Diese Ziele wurden als funktionale Voraussetzungen für das in diesem Arbeitspaket entwickelte Software-Tools (Grasshopper-Script) angesetzt.

Softwaregrundlage

Um den Aufwand und die Personalanforderungen für die Arbeit in diesem Arbeitspaket zu begrenzen, wurde bereits zum Zeitpunkt der Zuwendungsantragsstellung entschieden, dass keine eigene freistehende Software entwickelt werden soll, sondern dass die zu erwartende Funktionalität auch mit einem Script für die visuelle Schnittstelle Grasshopper angemessen erreicht werden kann.

Grasshopper ist ein kostenloses Software-Plugin für die weit verbreitete kommerzielle 3D-Planungssoftware Rhinoceros3D vom Entwickler McNeel. Das Plugin besteht aus einer Oberfläche auf der sogenannte Components platziert werden können. Alle Components beinhalten bestimmte Funktionen und verfügen über Input- und Output-Anschlüsse.

Abbildung 1 – Additions-Component

Ein Component zur Addition von Werten hätte so zum Beispiel zwei Inputs, an die zwei Zahlen angeschlossen werden können. Diese Zahlen werden innerhalb des Components addiert und das Ergebnis kann dann am Output abgerufen werden. Die Funktionalität der Components reicht von simplen mathematischen Operatoren bis hin zu komplexen Analyse- und Verarbeitungsanwendungen für 2D- oder 3D-Objekte. Zudem gibt es eine sehr große Anzahl von kostenlosen Erweiterungen für Grasshopper, deren Components durch Benutzer:innen entwickelt und ständig erweitert werden.

Um dem Open-Source-Ansatz für in der Forschung entwickelte Software-Tools gerecht zu werden, wird das Grasshopper-Script zum Abschluss dieses Arbeitspaketes zusammen mit einer Anleitung hier auf der Projektwebsite zum kostenlosen Download angeboten. Potenziellen Nutzer:innen steht somit der „Code“ offen zur Verfügung und sie können das Script auf spezielle Bedürfnisse anpassen oder mit neuen Funktionen erweitern.

Funktionsweise

Das für dieses Forschungsprojekte entwickelte Tool ist als sogenannter Cluster verpackt, der wie ein nativer Grasshopper-Component aussieht und das gesamte Script enthält. Als Inputs werden verschiedene 2D-Grafikelemente (Geschoss, Stützen, etc.) und Gebäudewerte (Geschosshöhe, Deckenstärke, etc.) sowie einige Parameter (Zuschnittbreiten, etc.) benötigt. Als Outputs wird das Zuschnittmuster im Grundriss dargestellt, sowie eine 2D-Aufstellung der erstellten Bauteile und eine äquivalente exportierbare („bakeable“) Aufstellung der Bauteile als 3D-Objekte ausgegeben.

Im Folgenden wird näher auf die Funktionsweise des Clusters, die Bedingungen für die Input-Geometrien und Parameter, die erforderlichen Inputs sowie die zur Verfügung stehenden Outputs eingegangen.

Cluster

Abbildung 2 –
Abbau Aufbau Cluster
Abbildung 3 – Clusterinhalt

Der Cluster für das vorliegende Softwaretool beinhaltet alle Programmierungspfade, die für die gewünschten Funktionen notwendig sind. Zuerst wird über ein Gate kontrolliert, ob der Cluster an- oder ausgeschaltet ist, so dass nur im Falle der Anschaltung Informationen in die weiteren Funktionen geleitet werden. Danach werden die Informationen bzw. Geometrien je nach Auswahl auf der Oberfläche an eine der drei Funktions-Modi (hier blau, gelb und rot dargestellt) weitergeleitet und dort verarbeitet. Die Verarbeitung beinhaltet das Zerlegen des Grundrisses, das Sortieren der Elemente auf ein übersichtliches Raster, die Erstellung und Zuordnung von IDs, die Berechnung von Volumen, Masse und grauer Energie, die Erstellung von Bemaßungsketten, die Berechnung von Sägelauflänge und gegebenenfalls verbleibenden nicht genutzten Flächen, sowie die Erstellung von 3D-Geometrien für den Export.

Vorraussetzungen

Um den Cluster des Abbau-Aufbau-Tools benutzen zu können, müssen bestimmte kostenlose Erweiterungen (Plug-Ins) in Grasshopper installiert sein, deren Components im Tool verwendet werden. Die erforderlichen Plug-Ins sind Pufferfish, Kangaroo2 und Human. Das Rhino-Dokument muss in der Einheit Meter angelegt werden.

Inputs

Die Grundlage für die Verarbeitung von Geometrien im Cluster sind die zugeführten 2D-Geometrien (Grundrisse mit Stützen, Unterzügen und ggf. Wänden), die über sogenannte Inputs dem Cluster bereitgestellt werden. Für diese Input-Geometrien sind folgende Voraussetzungen zu beachten:

Der Grundriss sollte im Rhino-Dokument mit der längeren Seite entlang der X-Achse orientiert sein und mit der kurzen Seite entlang der Y-Achse. Sollte der zu bearbeitende Grundriss L-förmig sein, empfiehlt es sich den Grundriss in zwei Abschnitte zu teilen und diese separat mit dem Tool zu bearbeiten.

Die Stützen sollten möglichst in einem rechtwinkligen Raster angeordnet sein. Im Falle von unregelmäßigen Stützenrastern sollte nur der Modus 3 des Tools angewendet werden. Das gleiche gilt für Grundrisse mit Stahlbeton-Wänden.

Abbildung 4 – Inputs

Folgende Inputs müssen beachtet werden:

1. ON/OFF Schalter
Hier mit kann das Tool an und aus geschaltet werden. Dies empfiehlt sich, um Änderungen vornehmen zu können, ohne dass die jedes Mal der Zuschnitt neu erstellt wird.

2. MODE Dropdown-Menü
Hiermit kann zwischen den drei Modi ausgewählt werden. (Erläuterungen zu den einzelnen Modi im folgenden Kapitel.)

3. COLUMNS Geometrie
Hier werden die Stützen referenziert. Die Stützen können geschlossene Polylinien oder Kreise sein.

4. BEAMS Geometrie
Hier werden die Unterzüge referenziert. Die Unterzüge müssen als geschlossene Polylinien gezeichnet sein.

5. FLOOR PERIMETER Geometrie
Hier wird der Umfang des Grundrisses referenziert. Dieser muss als geschlossene Polylinie gezeichnet sein.

6. THICKNESS OF CELING SLAB Slider
Hier wird die Dicke der Deckenplatte eingegeben. Die Einheit ist Zentimeter.

7. HEIGHT OF BEAMS Slider
Hier wird die Höhe der Unterzüge (Abstand UK Decke bis UK Unterzug) eingegeben. Die Einheit ist Zentimeter.

8. HEIGHT OF COLUMS Slider
Hier wird die Höhe der Stützen eingegeben (Abstand UK Decke bis OK FB). Die Einheit ist Meter.

9. MODE 1 – RECTANGLES Slider
Mit den zwei Slidern können Breite und Länge des Zuschnittrasters im Modus 1 eingestellt werden.

10. MODE 2 – WIDTH FRAMES Slider
Mit diesem Slider kann die Breite des Zuschnittrasters im Modus 2 eingestellt werden.

11. MODE 3 – LINEWORK Geometrie
Hier kann das Zuschnittraster (Polylinien, Linien, Kreise) für Modus 3 referenziert werden.

Modi

Das Tool verfügt über drei Funktions-Modi zwischen denen gewählt werden kann. Jeder Modus erstellt den Zuschnitt auf eine andere Weise, wodurch neben der Variabilität durch das Verändern von Parametern eine weitere Reihe an Varianten für den Zuschnitt geschaffen werden kann.

Abbildung 5 – Grundriss im Modus 1
Abbildung 6 – Elemente im Modus 1

Modus 1 – Stützenpilze

Im Modus 1 ist die einzelne Stütze der zentrale Bezugspunkt für den Zuschnitt. Um jede Stütze wird ein Rechteck erstellt, das den Zuschnitt um die Stütze herum festlegt. Dieses Rechteck kann in Breite und Länge durch Parameter (siehe Inputs) angepasst werden. Auf Grundlage der Maße dieser einzelnen Rechtecke wird ein Raster für den verbleibenden Rest des Grundrisses erstellt, das als Zuschnittraster angewendet wird. So entstehen drei Typen von Elementen: zum einen die Stützenpilze (Stütze mit Deckenteil), zum anderen die Elemente, die jeweils zwischen zwei Stützen liegen und zuletzt die Elemente, die jeweils zwischen den zuvor genannten Elementen liegen.

Abbildung 7 – Grundriss im Modus 2
Abbildung 8 – Elemente im Modus 2

Modus 2 – Rahmen

Im Modus zwei werden jeweils zwei Stützen zu einer Art Rahmen (nicht im statischen Sinne) zusammengefasst. Daraus resultieren zum einen die Rahmenelemente und zum anderen die Elemente, die jeweils zwischen zwei Rahmen liegen.

Abbildung 9 – Grundriss im Modus 3
Abbildung 10 – Elemente im Modus 3

Modus 3 – Linework

Modus 3 basiert auf einem zuvor individuell erstellten Zuschnittraster, das per Input zugeladen werden kann (siehe Inputs). Die referenzierte Geometrie kann zuvor im 2D nach Belieben angepasst und verändert werden, bis ein zufriedenstellendes Ergebnis gefunden wurde. Der Nachteil dieses Modus ist, dass er nicht parametrisch veränderbar ist, jedoch werden alle weiteren Funktionen des Tools (Erstellung von 3D-Geometrien, IDs, Masse, etc. – siehe Outputs) angewendet.


Outputs

Abbildung 11 – Outputs

Der Cluster verfügt über vier Output-Kategorien:

1. BAKE
Hier können über einen Schalter die generierten 3D-Geometrien „gebacken“ werden. Das bedeutet, sie werden durch Grasshopper als Polysurfaces im Rhino erstellt und können dort nach dem Schließen der Grasshopper-Anwendung weiterverwendet werden.

2. TEXT
Hier werden alle Text-Informationen ausgegeben. Das können Informationen zur Masse oder enthaltener grauer Energie sein, aber auch die IDs der Elemente oder die Ausgabe der erforderlichen Sägelauflänge und gegebenenfalls Fehleranzeigen, wenn im Zuschnitt z.B. Teile überlappen.

3. DIMENSIONS
Hiermit werden die Bemaßungen der Elemente generiert.

4. GEOMETRY PREVIEW
Hier wird durch Grasshopper eine Vorschau der Zuschnittergebnisse im Bestandsgrundriss, als Bauteilkatalog im 2D und als Bauteilkatalog im 3D generiert.

Anwendung

Das Tool kann zur schnellen Generierung von Varianten für den Zuschnitt von Grundrissen benutzt werden. Die Modi 1 und 2 bieten die Möglichkeit Zuschnitte auf Basis der Grundrisseigenschaften zu generieren und parametrisch anzupassen. Mit dem Modus 3 können freie, zuvor definierte Varianten erprobt und zur weiteren Verarbeitung bereitgestellt werden. Für jeden der drei Modi gilt, dass der Zuschnitt automatisch vorgenommen wird und das Ergebnis als einzelne nummerierte Elemente bereitgestellt wird, sodass ein „händisches“ Zerlegen des 3D-Modells nicht notwendig wird.

Für die weitere Planung und Logistik können die Masse (z.B. für die Abschätzung von Krantraglast) und die Dimensionen (z.B. für die Planung des Transports) jedes einzelnen Teils ausgelesen werden.

Um die Kosten für die Durchführung des Zuschnitts kalkulieren zu können, wird die Gesamtlänge der Sägeschnitte für die jeweilige Zuschnittvariante ausgegeben.

Für die Abschätzung des Einsparpotenzials von grauer Energie wird die Menge des CO2s für jedes Element dargestellt, die durch die Herstellung des Betons freigesetzt wurde.

Mögliche Erweiterungen

Aufgrund seines Open-Source-Charakters als Grasshopper-Script, kann das Tool durch Dritte je nach Bedarf erweitert und verbessert werden.

Ein Ansatz, der während der Bearbeitung des Tools bereits aufkam, aber aufgrund des begrenzten Zeitrahmens und den limitierten Programmierfähigkeiten des Teams nicht bearbeitet werden konnte, ist das automatisierte Generieren von Aufbau-Entwürfen, bei denen die im Zuschnitt erstellten Elemente automatisiert und unter Verwendung von Optimierungsalgorithmen zu Gebäudeentwürfen zusammengesetzt werden. Zudem gibt es für diesen Ansatz bereits erste Bestrebungen in anderen Forschungsprojekten (ReCreate / TU Eindhoven und Fertigteil 2.0 / TU Darmstadt).

Eine andere Erweiterung könnte die automatisierte Berücksichtigung von Krantraglasten sein, bei der die Kapazität des Krans je nach Standort die Größe (und damit Masse) der einzelnen Elemente beeinflusst.

Ebenfalls könnte die Bewehrungsplanung des Bestands als weiteres Input in das Tool eingebunden werden, sodass die Bewehrungslage für jedes der generierten Elemente bereitgestellt wird.

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